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10.08.2017

Warum „Experten informieren Verbraucher“-Communities selten funktionieren

Ende Mai deaktivierte die TUI ihre vor fünf Jahren mit vielen Vorschlusslorbeeren bedachte Reise-Experten-Community. Was war geschehen? Die Initiatoren des 2012 gestarteten Projekts schienen doch alles richtig bedacht zu haben: Sie hatten auf neueste Technik, Individualität und Mitteilungsbedürfnis gesetzt; sowie auf Neugier und Eitelkeit, auf Online, Community und Business. In der Pressemitteilung hieß es damals: "Das neue Expertennetzwerk der TUI ermöglicht Reisebüromitarbeitern, ihr Wissen im Internet anzubieten und neue Kundengruppen zu erschließen – weit über das eigene Einzugsgebiet hinaus. Mögliche Kunden können per Mail Kontakt aufnehmen. Jeder Reiseexperte präsentiert seine Tipps, Reiseberichte und Themenschwerpunkte auf einer eigenen Profilseite. Jeder Expedient entscheidet selbst, wie viel er von seinem Wissen preisgibt."

Tatsächlich stellten Produkt-Manager und Reiseleiter von TUI den größeren Teil der Experten-Community. Aber dennoch wurde dieses innovative Angebot, so TUI zu Matthias Gürtler, Chefredakteur des Fachmagazins touristik aktuell, "von den Online-Surfern nicht ausreichend genutzt". Ein wesentlicher Grund war sicherlich auch die geringe Neigung der externen Experten, ihr Wissen auf dieser Plattform zu teilen. Eine im Mai 2017 durchgeführte und auf gloobi.de kommentierte Umfrage für das "Reise vor9 Magazin" ergab, "dass die Mitmach-Angebote der Veranstalter bei Reisebüros nicht sonderlich beliebt sind. Die Mehrheit der befragten Expedienten beteiligt sich auf diesen Plattformen nicht. Und nur 18 Prozent derer, die grundsätzlich in Expertenforen aktiv sind, stellen ihr Know-how auf der Website ihres Leitveranstalters zur Verfügung – also nicht einmal fünf Prozent aller 200 befragten Büros." Frustrierend für TUI, was gloobi.de weiter ausführt: "Wenn überhaupt, ist der stationäre Vertrieb eher auf der eigenen Website oder auf derjenigen seiner Reisebüroorganisation aktiv."

Wie kann es sein, dass das TUI-Konzept trotz einer Millionenschar von Urlaubern, die ständig nach neuen Inspirationen für ihre Reise giert, sowie jahrelanger kräftiger Subventionierung, so floppte?
Offensichtlich hat TUI die Motivation der Reiseexperten, hier mitzumachen, völlig falsch eingeschätzt. Dies würde auch erklären, warum sich das durchaus interessant klingende Anreiz- und Belohnungssystem für sie am Ende als stumpfe Waffe gegen Skepsis und Desinteresse entpuppte. Doch das alles erklärt nicht, warum das Expertenangebot auch von den Konsumenten nicht richtig angenommen wurde. Der Buchautor und Marketingspezialist Heino Hilbig hält solch ein B2C-Tool insgesamt für kritisch: "Der Erfolg von Ratgeber-Portalen basiert neben der Relevanz der Themen für den Leser immer auch auf Glaubwürdigkeit der Autoren. Als Reisebüro-Inhaber oder Mitarbeiter steht man mindestens im Verdacht, die gerade gelobte Reise auch gleich verkaufen zu wollen. Damit wird die von Verbrauchern sehr fein wahrgenommene Grenze zwischen Social Media und Werbung  überschritten: Ein solches Portal kann nur schwer Glaubwürdigkeit aufbauen."

Matthias Gürtler zufolge machten die teilnehmenden Reiseverkäufer unterschiedliche Erfahrungen mit dem Tool. "Während einige regelmäßig von Kunden kontaktiert wurden, stiegen andere aufgrund mangelnder Nachfrage schnell wieder aus." Einige hätten sich auch von den Kunden ausgenutzt gefühlt: "Diese wollten zwar Infos einholen, aber keinen Urlaub buchen", berichteten sie dem Chefredakteur von touristik aktuell.

Möglicherweise war genau das der Konstruktionsfehler der Experten-Community von TUI: Während etwa Reiseleiter zufrieden damit waren, Infos zu ihrem Zielgebiet zu geben, sind Reiseverkäufer darauf angewiesen, Reisen zu verkaufen. "Vielleicht wäre es besser gewesen, die Interessenlagen stärker voneinander abzutrennen", meint Gürtler.